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Verkehrssicherheit in der urbanen Mobilität
Jon Glasco09. Oktober 20199 min read

Der lange Weg zur Verkehrssicherheit in der urbanen Mobilität

Die Welt der urbanen Mobilität ist einem rasanten Wandel unterworfen, und Städte kämpfen mit den Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Das Bevölkerungswachstum in den Städten, kombiniert mit mehr Pkw, Lkw und ÖPNV-Fahrzeugen (z.B. durch zunehmende Zustellung auf der letzten Meile), die sich überfüllte Straßen mit schutzlosen Verkehrsteilnehmern (Fußgängern, Rad- und Motorradfahrern) teilen, macht die Aufgabe der Gewährleistung einer sicheren Mobilität zu einer komplexen Herausforderung. Unsicheres Fahrverhalten, die Nachfrage nach multimodalen Transportmöglichkeiten, der Bedarf an fahrradfreundlichen Straßen und die ungewisse Zukunft autonomer Fahrzeuge machen die Aufgabe noch komplexer.

Die Zahl der Verkehrstoten nimmt in vielen Städten zu. Verkehrstote in Städten machten im Jahr 2017 rund 37 Prozent aller Verkehrstoten in Europa aus. Schritte zur Verbesserung der Sicherheit der städtischen Mobilität erhöhen die Lebensqualität und bieten Möglichkeiten, die Nachhaltigkeit des Verkehrs zu gewährleisten. Dieser Artikel befasst sich mit Strategien und Innovationen zur Steigerung der Verkehrssicherheit und stellt Lösungsbeispiele für eine sicherere urbane Mobilität in Smart Cities vor.

Jüngste Verbesserungen der Verkehrssicherheit sind nicht ausreichend

In den letzten Jahrzehnten haben Politik und Verkehrsplaner gemeinsame Anstrengungen unternommen, die Verkehrssicherheit zu verbessern. In einer globalen Umfrage der Weltbank gaben 103 Länder (58 Prozent der Befragten) an, dass sie nationale Verkehrssicherheitsstrategien verfolgen. Trotz der Fortschritte in Teilen der Welt und in vielen Städten offenbaren die veröffentlichten Statistiken über Verkehrsunfälle eine tragische Geschichte von Todesfällen und schweren Verletzungen.

Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) deuten darauf hin, dass Verkehrsunfälle jährlich mehr als 1,2 Millionen Menschenleben fordern. Verkehrstote sind „die häufigste Todesursache bei jungen Menschen im Alter zwischen 15 und 29 Jahren und kosten die Regierungen rund 3 Prozent des BIP. Trotz dieser massiven - und weitgehend vermeidbaren - menschlichen und wirtschaftlichen Schäden sind die Maßnahmen zur Bekämpfung dieser globalen Herausforderung nicht ausreichend.“

Verkehrssicherheit im urbanen Raum

Beunruhigende Daten zur Verkehrssicherheit

Ein Bericht des Europäischen Rates für Verkehrssicherheit (European Transport Safety Council - ETSC) verdeutlicht das Ausmaß der schweren Verkehrsunfälle in städtischen Gebieten. In zehn Jahren starben mehr als 135.000 Menschen bei Verkehrsunfällen in europäischen Städten. Dies entspricht geschätzten 38 Prozent der gesamten Verkehrstoten in der EU.

Fast die Hälfte der Verkehrstoten waren 2017 anfällige Verkehrsteilnehmer. 21 Prozent der auf Straßen getöteten Menschen waren Fußgänger, und 25 Prozent fuhren mit Fahrrädern, Motorrädern oder Mopeds. Mehr als 20 Prozent der nicht tödlichen Verkehrsunfälle, an denen insbesondere viele ungeschützte Verkehrsteilnehmer beteiligt sind, sind folgenschwer.

Ein Drittel der tödlichen Unfälle ist mit einer überhöhten Geschwindigkeit zu erklären. Im Stadtverkehr verursachen schätzungsweise 60 Prozent der Verkehrsteilnehmer gefährliche Situationen, indem sie die Höchstgeschwindigkeit überschreiten.

Die zunehmende Urbanisierung erhöht in vielen Ländern und Städten die Mobilitätsprobleme und -risiken. „Mehr als 90 Prozent der Verkehrstoten sind in Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen zu verzeichnen - gerade dort, wo sich die Urbanisierung am schnellsten beschleunigt.“

Mobilitätsrisiken in urbanen Räumen

Viele Länder glauben, dass Verkehrssicherheitsmaßnahmen zu Verbesserungen geführt haben, aber die Wirkung auf die Städte ist nicht allzu groß. Daten der International Road Traffic Data and Analysis Group (IRTAD) belegen, dass 20 von 29 IRTAD-Mitgliedsländern von 2010 bis 2016 einen Rückgang der Gesamttodesfälle im Straßenverkehr vermeldeten. Allerdings nahmen die tödlichen Unfälle in den Städten in mehr als der Hälfte der IRTAD-Länder zu.

In den USA überstieg die Zahl der Verkehrstoten 2017 zum zweiten Mal in Folge 40.000. Nach jüngsten Trends waren rund 48 Prozent der verkehrsbedingten Todesfälle in urbanen Räumen zu verzeichnen. Die Governors Highway Safety Association gab im vergangenen Jahr eine Schätzung von 6.000 Fußgängertoten bekannt, fast 50 Prozent mehr als 2009.

Gefahren durch Fahren unter Ablenkung

Eine Umfrage in 38 Ländern über das selbst erklärte unsichere Fahrverhalten zeigt, dass den Fahrern die Gefahr des Fahrens unter Ablenkung nicht bewusst ist. In einer Umfrage des US National Safety Council gaben 80 Prozent der Fahrer an, dass Freisprecheinrichtungen sicherer seien als Handhelds. Der Council betont jedoch, dass Fahrer, die diese Geräte verwenden, „nur etwa 50 Prozent aller Informationen in ihrer Fahrumgebung sehen“. Dieses Phänomen wird als Unaufmerksamkeitsblindheit bezeichnet und kann dazu führen, dass Fahrer Objekte wie Stoppschilder und Fußgänger übersehen.“

Fehler bei der Notfallreaktion

In einigen Teilen der Welt trägt das fehlende Notfallkonzept und die mangelnde Versorgung nach einem Unfall zu den Todesfällen bei. Dies gilt insbesondere für weniger entwickelte Regionen und Städte mit Schwächen bei der Erstversorgung und fehlender angemessener Behandlung in Traumazentren.

Sicherheitspolitik und -ziele der städtischen Mobilität

Um den globalen Herausforderungen der Straßenverkehrssicherheit gerecht zu werden, haben die Vereinten Nationen Ziele in ihre Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung aufgenommen. Mit Blick auf die urbane Mobilität soll ein definiertes Nachhaltigkeitsziel folgendes sicherstellen:

  • Zugang zu sicheren, erschwinglichen, zugänglichen und nachhaltigen Verkehrssystemen für alle Bürgerinnen und Bürger
  • Verbesserungen in der Straßenverkehrssicherheit (insbesondere durch den Ausbau und das Angebot sicherer öffentlicher Verkehrsmittel)
  • Besondere Aufmerksamkeit auf die Mobilitäts- und Sicherheitsbedürfnisse schutzbedürftiger Bürgerinnen und Bürger

In diesem Jahr hat die Europäische Kommission ein neues europäisches Mobilitätspaket veröffentlicht. Dieses Paket enthält einen langfristigen politischen Rahmen und eine Strategie für die Vision Zero, das Ziel der EU, bis 2050 die Zahl der Verkehrstoten und -schäden drastisch zu senken, wobei das Ziel darin besteht, diese Zahlen bis 2030 zu halbieren. Das Paket sieht eine globale Rolle für die Straßenverkehrssicherheit in Europa vor und empfiehlt Maßnahmen zu sich abzeichnenden Sicherheitsproblemen, Governance, Fahrzeugen, Straßen und Notfallmaßnahmen. Wie die EU-Kommissarin für Verkehr, Violeta Bulc, ausführt: „Die Verkehrssicherheit ist eine gemeinsame Verantwortung. Sie verpflichtet nationale und lokale Stellen sowie die Zivilgesellschaft und die Industrie, eng zusammenzuarbeiten, um unsere Straßen, Fahrzeuge und Nutzer sicher zu machen.“

Veränderungen in der Straßeninfrastruktur und die Neugestaltung des städtischen Raums sollten eine Schlüsselrolle bei der Erfüllung der Ziele hinsichtlich der Mobilitätssicherheit und der Verbesserung der Lebensqualität spielen. Der ETSC empfiehlt Leitlinien für die urbane Infrastruktur zur Verkehrsberuhigung (basierend auf physischen Maßnahmen wie Straßenverengungen, Geschwindigkeitsbegrenzungen, sicheren Übergängen und der Verteilung des städtischen Raums) und Flächennutzungspläne, die eine modale Priorität und eine „klare Hierarchie der Verkehrsteilnehmer, wobei Fußgänger, Radfahrer und Nutzer des öffentlichen Verkehrs an der Spitze der Hierarchie stehen“, vorsehen.

In den Vereinigten Staaten veröffentlichte die Road to Zero Coalition - eine Allianz von mehr als 650 Mitgliedsorganisationen - einen Bericht, eine Strategie und eine Vorlage, um Verkehrstote in den USA bis 2050 zu vermeiden. Diese gemeinsame Anstrengung ist eine Reaktion auf einen Bericht des National Safety Council, in dem festgestellt wird, dass die USA bei der Verkehrssicherheit im Rückstand sind. „Der Weg zu null Todesfällen wird eine zügigere Verbesserung der Technologie, die Einbindung von Fahrern und Investitionen in unsere Infrastruktur erfordern“, erklärte Deborah Hersman, Präsidentin und CEO des Rates, in einem aktuellen Artikel.

Verkehrssicherheit in Städten durch autonome Fahrzeuge

Sicherheitswerkzeuge und -lösungen für die städtische Mobilität

Eine breite Auswahl an Werkzeugen und Mobilitätslösungen ist für die Anwendung im gesamten Spektrum der urbanen Mobilitätssicherheit konzipiert. Hier sind einige Beispiele:

Instrumente zur Planung der Verkehrssicherheit

Forschungsarbeiten zu Risiken, Ursachen und Maßnahmen der Straßenverkehrssicherheit haben die Entwicklung evidenzbasierter Verkehrssicherheitsrichtlinien und Entscheidungsunterstützungssysteme (Decision Support Systems - DSS) ermöglicht. So hat beispielsweise SafetyCube (ein von der EU gefördertes Projekt) ein integriertes Verkehrssicherheits-DSS entwickelt. Dieses System bietet wissenschaftliche Erkenntnisse über Risikofaktoren für Verkehrsunfälle, Sicherheitsmaßnahmen und Wirksamkeitsschätzungen. Es stellt ein webbasiertes interaktives Werkzeug für Entscheidungsfindungen, Strategien und Richtlinien zur Straßenverkehrssicherheit bereit.

BadIntersections.com ist eine Crowdsourcing-Kartendatenbank mit potenziell gefährlichen Kreuzungen. Die Datenbank, die mehr als 13.000 Kreuzungen weltweit erfasst, wird eingesetzt, um das Bewusstsein für Hochrisikokreuzungen und Sicherheitsbedrohungen für Fahrer und gefährdete Verkehrsteilnehmer zu erhöhen.

IoT-Mobilitätslösung für die Sicherheit von Fußgängern

MetroTech, ein Anbieter von Smart-City-Lösungen in Tampa, Florida, hat IntelliSection Pedestrian Safety (eine auf dem Internet der Dinge (IoT) basierende Lösung) entwickelt, um dem Risiko entgegenzuwirken, dass vernetzte Autos und autonome Fahrzeuge Fußgänger auf einem Zebrastreifen nicht erkennen. Diese Lösung basiert auf Daten aus einem Netzwerk von Sensoren, um die Sicherheit der Fußgänger zu erhöhen, indem sie Informationen und Warnmeldungen an das Fahrzeug übermittelt.

Smarte Straßenbeleuchtungslösungen

Aufgrund der schlechten Sicht passieren nachts schätzungsweise 70 Prozent der Verkehrsunfälle mit Fußgängern. Sierra Wireless, ein globaler Anbieter von Drahtlos- und IoT-Lösungen, installiert smarte Straßenleuchten, die mittels Hightech-Sensoren die Beleuchtung automatisch an veränderte Bedingungen anpassen. Die Sensoren erfassen Bewegungen und generieren Daten über lokale Bedingungen wie Wetter und Anzahl der Fahrzeuge auf der Straße. Die Daten werden an eine Cloud-Plattform und ein System übertragen, das die Straßenbeleuchtung an die Sichtverhältnisse anpasst.

Notfalldienst-Plattform

City Alerts ist eine innovative Messaging-Plattform, die in Amsterdam entwickelt wurde (und auf andere Städte anwendbar ist) und sicherstellt, dass Notfalldienstleister bei Notfällen relevante Informationen austauschen können. Die Plattform erlaubt den Zugriff auf wichtige Daten mittels eines nicht in die Privatsphäre eingreifenden Systems sowie den Datenaustausch und die Benachrichtigung zwischen den Rettungsdiensten.

Kooperative Fahrzeuge und intelligente Transportsysteme

Das Konzept der kooperativen Fahrzeuge und Systeme zielt auf die Verbesserung der Verkehrssicherheit ab, indem die Fahrzeuge mit anderen Fahrzeugen, der Straßeninfrastruktur, Verkehrsmanagementsystemen und mobilen Geräten kommunizieren können. Im Gegensatz zu einem völlig autonomen Fahrzeug behält der Fahrer stets die Kontrolle über ein kooperatives Fahrzeug und erhält Verkehrsinformationen und Sicherheitswarnungen über einen akustischen Alarm oder eine fahrzeuginterne Vorrichtung. Kooperative Fahrzeugtechnologien haben zum Ziel, die Auswirkungen von Fahrfehlern und gefährlichen Verhaltensweisen zu mindern - welche schätzungsweise 94 Prozent aller Verkehrsunfälle verursachen.

Förderung des ÖPNV als Verkehrssicherheitsmaßnahme

Laut einer Studie der American Public Transportation Association (APTA) können Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr das Risiko von Verkehrsunfällen in urbanen Räumen um 50 Prozent reduzieren. Diese Studie zeigt, dass „Autotodesfälle und Verletzungsraten in einer Gemeinde mit zunehmender Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs tendenziell sinken“ und sagt, dass ein Pendler, der öffentliche Verkehrsmittel anstelle eines Autos benutzt, die Wahrscheinlichkeit an einem Verkehrsunfall beteiligt zu sein um mehr als 90 Prozent reduziert.

Die Zukunft der urbanen Mobilitätssicherheit

Störungen im Verkehrssektor nehmen gerade erst Fahrt auf. Es wird erwartet, dass sich die städtische Mobilität innerhalb des nächsten Jahrzehnts grundlegend ändert, und Smart Cities können davon profitieren:

  • durch die Implementierung innovativer, best-practice Sicherheitslösungen.
  • durch die Neukonzeption der städtischen Straßeninfrastruktur mit erhöhten Prioritäten zu Gunsten der Sicherheit ungeschützter Verkehrsteilnehmer.
  • durch die Anwendung von Entscheidungsunterstützungssystemen und anderen evidenzbasierten Instrumenten zur Unterstützung der Sicherheitsrichtlinien für die urbane Mobilität.
  • durch die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) als risikoärmeres Verkehrsmittel für die smarte urbane Mobilität.
  • durch die Einhaltung von Standards für die Erprobung und Einführung autonomer Fahrzeuge.
  • durch mutige Schritte, um unsichere Verhaltensweisen der Verkehrsteilnehmer weiter zu reduzieren (z.B. abgelenktes Fahren, übermäßige Geschwindigkeit und Alkoholkonsum).



Thomas Müller, Managing Partner at bee smart city,,Städtische Verkehrsplaner sollten nicht nur kurzfristige Maßnahmen ergreifen, sondern Vorausdenken und Ihr Wissen über Partnerschaften und Kooperationen erweitern, um durch die Einführung nachhaltiger und skalierbarer Verkehrssicherheitslösungen bereits für zukünftige Herausforderungen gerüstet zu sein."
, empfiehlt Thomas Müller, Geschäftsführer der bee smart city GmbH.



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Jon Glasco

Jon Glasco is a freelance consultant and writer focused on innovation in smart cities and smart urban mobility. He has experience in executive and consulting roles in the telecommunications, mobile operator, public transport, government and professional service sectors. Jon holds an MBA and Bachelor of Science in Electrical Engineering.

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